Webhosting-Unternehmen im Sonderangebot: Warum wir so viele M & A in der Hosting-Branche sehen
Wir freuen uns, mit Sebastian Bluhm, Vorstand der Profihost AG aus Hannover über das Thema Mergers & Acquisitions in der Hosting-Branche sprechen zu können.
ht: Guten Tag Herr Bluhm, könnten Sie kurz Ihr Unternehmen vorstellen.
sb: Sehr gerne. Die Profihost AG ist ein inhabergeführtes, mittelständisches Hosting-Unternehmen. Uns gibt es seit 1998, gestartet als Anbieter für damals „einfaches Webhosting“ aus dem Jugendzimmer heraus. Inzwischen sind wir einer der führenden mittelständischen und unabhängigen Hoster in Deutschland. Bereits 2012/2013 sind wir als einer der ersten deutschen Anbieter mit einer eigenen Cloudplatform gestartet und gehören damit zu den Pionieren des deutschen Cloud-Hostings. Wir haben uns damit frühzeitig auf die Zurverfügungstellung von Cloud-Infrastrukturen (IaaS) spezialisiert. Wir betreiben als einer der wenigen Anbietern eine echte (!), ausfallsichere, skalierbare und vor allem deutsche Cloud.
ht: Die letzten Jahre waren durch weiteren Aufkäufe im Webhosting-Markt geprägt. Wird es zunehmend schwerer als Webhosting-Anbieter ohne gutem Zugang zum Geldmarkt weiter zu wachsen?
sb: Diese Frage ist differenziert zu betrachten. Zunächst ist festzuhalten, dass das organische Wachstum nicht durch die Aufkäufe am Markt schwerer werden wird, sondern weil die Nachfrager am Markt weniger werden, weil eine gewisse Marktsättigung eingetreten ist. Der Kuchen ist größtenteils verteilt. Es geht vielmehr um die Frage, ob und wie eine Umverteilung stattfindet.
Unter diesem Aspekt beobachten wir den Konsolidierungsprozess mit großem Interesse und denken, dass dieser im Ergebnis für Marktteilnehmer, die sich eindeutig am Markt positioniert haben, von Vorteil ist. Wir sind ausschließlich an nachhaltigen Kundenbeziehungen interessiert und legen, neben technisch ausgereiften Produkten, besonderen Wert auf eine agile, persönliche und qualitativ hochwertige Beratung. Sie können sich sicher vorstellen, dass es viele Kunden gibt, die – gerade nach einer Übernahme von einem Anbieter, der unter dem Druck steht, eine Vielzahl von Transaktionen tätigen zu müssen – insbesondere hierauf großen Wert legen.
Insofern begrüßen wir es natürlich auch, dass sehr kleine Marktteilnehmer verschwinden, die eine derartige Qualität nicht bieten. Bedenken Sie, dass der Zugang zum Webhosting Markt vor vielen Jahren aufgrund der fehlenden Professionalität noch ohne großes Investment möglich war. Die technischen Anforderungen waren gering und aufgrund des originären Online-Handels konnte das gesamte Geschäft faktisch aus den eigenen vier Wänden angeboten werden. Auch ist das Marktsegement nicht durch irgendwie geartete Zugangsregelungen beschränkt.
ht: Sie haben selbst seit Gründung der Profihost AG schon mehrere Webhoster und deren Kunden übernommen – wie kam es dazu?
sb: Der Erwerb von Geschäftsanteilen ist kein fester Bestandteil des Wachstumsplans der Profihost AG. Unser oberstes Ziel ist es, die Professionalität und Qualität unseres Unternehmens und unserer Produkte zu erhalten. Primär wollen wir mit unseren Kunden und organisch neu gewonnen Kunden wachsen. Wir grenzen uns damit klar zum Wettbewerb ab. Eine vom Kapital getriebene Wachstumsstrategie würde unserer Positionierung zuwider laufen, weil wir so auch unsere Unabhängigkeit und das Vertrauen gefährden würden.
Das heisst aber nicht, dass wir grundsätzlich kein Interesse daran haben, vorhandene Hosting-Anbieter zu übernehmen. Wir haben in den vergangenen Jahren bereits erfolgreich einige kleinere und mittlere Transaktionen durchgeführt. Wir prüfen aber sehr genau, inwieweit wir die Kunden, Mitarbeiter und Produkte in unsere Prozessabläufe integrieren können, um am Ende des Tages einen Mehrwert für den Kunden erzeugen zu können. Das funktioniert aber nicht, mit einer „kalten“ Übernahme der Kunden, sondern meist aufgrund eines bereits bestehenden partnerschaftlichen Verhältnisses mit dem Unternehmer. Die oftmals lockere partnerschaftliche Zusammenarbeit zeigt, ob wir zueinander passen. Der Unternehmer profitiert bereits in diesem Schritt von unserem technischen Fortschritt. Die Übernahme ist dann nur noch eine logische Konsequenz. Die Einbindung des Unternehmens und der Mitarbeiter ist ohne großen Aufwand möglich.
ht: Sollte man mit dem Verkauf seines Hosting-Geschäfts spekulieren – gibt es eine typische Größenordnung ab wann ein Verkauf Sinn macht?
sb: Spekulieren ist natürlich immer eine risikoreiche Strategie. Dies hat unterschiedlichste Gründe: ein Hosting Anbieter, der die finanziellen Mittel durch Investoren zur Verfügung gestellt bekommt, hat grundsätzlich nur ein Interesse an großen und sehr großen Transaktionen. Ansonsten sind die Transaktions- und Migrationskosten zu hoch. Kleinere Anbieter werden es daher zunehmend schwer haben, einen Käufer zu finden, die Schwelle der kritischen Masse (für eine Übernahme) wird tendenziell eher steigen.
Wir haben in diesem Bereich daher mit unserem Partnerschaftsmodell sehr gute Erfahrungen gemacht, um die Transaktionskosten im Rahmen zu halten. Darauf spekulieren sollte aber auch ein kleinerer Anbieter nicht, denn wesentliches Kriterium ist die Qualität des Kundenstammes und der Kundenzufriedenheit. Auf diese Nachhaltigkeit sollte der Unternehmer sein Augenmerk legen. Sie ist gerade bei kleineren und mittleren Transaktionen ein wesentlicher Faktor für die Entscheidung der Übernahme. Auch ist bei kleinen Anbietern natürlich immer die Gefahr groß, dass, in Ermangelung langfristiger Perspektiven, die vorhandenen Know-how Träger das Unternehmen verlassen.
ht: Wie kann der Wert eines Hosting-Kunden beziffert werden?
sb: Der Wert eines Hosting-Kunden hängt natürlich maßgeblich davon ab, welches Umsatzvolumen (Quantität) und welche Werthaltigkeit (Qualität) der jeweilige Kunde besitzt. Zumeist schaut man sich ja den gesamten Kundenbestand an. Am Ende kommt es auf die Bewertung an, wieviel Geld mit dem Unternehmen/Kunden verdient wurde bzw. wird. Zumeist werden bei solchen Transaktionen im „kleineren“ Segment eigentlich nur die Kundenbeziehungen bewertet, da diese dann am Ende gekauft werden und nicht das rechtliche Gesamtunternehmen. Dann schaut man sich die Produkte, Kundenverträge und die Kundenentwicklung genau an. Am Ende des Prozesses steht dann (je nach Bewertungsmodell) ggf. ein Angebot als Multiplikator auf den Umsatz (z.B. 1,5-facher Jahresumsatz) oder als Multiplikator auf den Gewinn. Eine ganz grobe Taxierung könnte bei kleinen Anbietern der 4-5 fache Jahresgewinn sein, bei größeren Anbietern kann dies dann deutlich höher gehen und sogar bei 8-10 fachem Jahresgewinn liegen.
ht: Bei einer Übernahme werden meistens die Kunden des Anbieters mitübernommen – wie sieht es aber mit den Mitarbeitern und der technischen Infrastruktur aus?
sb: Auch hier ist zu differenzieren und pauschalieren lässt sich das nicht. Grundsätzlich gibt es hier zwei Stoßrichtungen. Wir beobachten, dass Anbieter mit Investoren als Anteilseigner primär an den Kunden interessiert sind und weniger an den Mitarbeitern oder der technischen Infrastruktur.
Wenn wir Transaktionen durchführen, legen wir ein besonderes Augenmaß auch auf die Mitarbeiter. Wir selbst haben ganz allgemein immer Bedarf an qualifiziertem Personal und das Problem, unseren Personalbedarf zu decken. Es wäre daher töricht, die individuellen Interessen der Mitarbeiter außer Acht zu lassen. Auch ist es für uns ein wesentlicher Faktor bei der Bewertung der Nachhaltigkeit, ob der Inhaber und die Mitarbeiter ein Interesse haben, sich künftig in unserem Unternehmen einzubringen. Durch die bekannten persönlichen Ansprechpartner können wir sicher stellen, dass die Kunden sich bei uns noch besser aufgehoben fühlen.
Aber auch hier gilt: es kommt auf den Einzelfall an. Wir legen äußersten Wert auf ein gut eingespieltes Team, da jedes erfolgreiche Unternehmen eine große Teamleistung erfordert. Bei der Technik ist es regelmäßig so, dass die Transaktionen in einer Partnerschaft gestartet sind und daher regelmäßig schon auf Technik der Profihost AG seitens des Verkäufers gesetzt wird. Dann haben wir gar keine Probleme. Ein häufiger Grund für eine Partnerschaft oder ein Verkauf ist – in dem Bereich in dem wir Transaktionen durchführen – die Erkenntnis, dass die verwendete Technik nicht mehr „state-of the-art“ ist und damit stellt sich die Frage nach der Technik häufig nicht, sondern nur, inwieweit wir das Unternehmen auf unsere Technik migrieren können.
ht: Was können die Vorteile eines Verkaufs sein?
sb: Das ist absolut vielfältig. Ich kann hier nur von unseren Erfahrungen im kleinen und mittleren Marktsegement sprechen. Wir beobachten, dass dem Wunsch eines Unternehmers, sein Unternehmen zu veräußern ein Selbstreflektionsprozess vorausgegangenen ist. Die Erkenntnis hat sich durchgesetzt, auf dem schnelllebigen und mittlerweile stark professionalisierten Markt langfristig nicht überleben zu können. Denken Sie nur an eigene Cloudlösungen. Diese Entwicklung wird von vielen als disruptive Technologie bezeichnet, weil eben nicht mehr ein kleiner Einzelserver reicht. Ohne Investitionen im siebenstelligen Euro Bereich können Sie keine konkurrenzfähige Plattform betreiben. Ganz zu schweigen von fehlendem Know-how und Personal.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Fälle, in denen der Unternehmer feststellt, dass er sich lieber wieder voll seinen Kernkompetenzen widmen möchte und der Belastungsdruck aufgrund vieler kleiner Baustellen, die das Unternehmerdasein mit sich bringt, senken will. Ein wichtiger Teil unserer Gespräche mit Partnern und Verkäufern ist es, herauszufinden, was die Gründe und die Ziele der einzelnen Persönlichkeiten sind, um eine interessante und für beide Parteien sinnvolle Lösung zu erarbeiten.
ht: Wie wird es Ihrer Meinung nach die kommenden Jahre weitergehen mit Übernahmen und Zusammenschlüssen? Werden die Großen weiter wachsen und die Kleinen sich zusehends schwer tun auf dem Markt zu halten?
sb: Ich glaube, es handelt sich um einen ganz gewöhnlichen Konsolidierungsprozess, der natürlich weiter voranschreiten wird. Jeder mittelständische Unternehmer muss sich immer und fortwährend die Frage stellen, wie er sich am Markt positioniert, was ihn von anderen – insbesondere großen – Teilnehmern abgrenzt. Ich plaudere wohl nicht aus dem Nähkästchen, wenn ich sage, dass Unternehmer, deren Anteilseigner keine Investoren sind, sich langfristig nicht über den Preis oder die Ausstattungsmerkmale von standardisierten Produkten definieren können. Jeder, der das tut, wird es schwer haben.
Sollten Hosting Anbieter Gesprächsbedarf haben, steht Ihnen Herr Sebastian Bluhm (Vorstand der Profihost AG, sebastian.bluhm@profihost.com) gerne für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.
Vielen Dank!
Das interview führte Marco Keul
Steckbrief
Name: Sebastian Bluhm
Position: Vorstand, zuständig für Partnerschaften und M&A Unternehmensform: Aktiengesellschaft
Angestellte: ca. 45
FA besteht seit: 1998
Kundenstamm: vornehmlich Business Kunden Angebotene Produkte: Cloud-Hosting, Shop-Hosting, Enterprise Hosting
www.profihost.de
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